East River Park | Manhattan | New York City | 1993
Mein Projekt führte mich, wie wahrscheinlich viele, nach New York, das heißt, ein Projekt in dem Sinn war es eigentlich gar nicht, im Grunde ging es nur um einen kleinen, feinen Kick im Central Park; eine gemischte Partie, alles keine Profis, kein übertriebener Ehrgeiz, man freut sich wenn die Kugel über ein paar Stationen läuft, über die eine oder andere gelungene Aktion, ein schönes Goal; Spaß soll's vor allem machen, und man tobt sich ein bisschen aus dabei.
Und man lernt die Leute kennen, in kürzester Zeit und so genau wie durch sonst kaum etwas. Und vor allem welche Leute man kennenlernt: Typen, mit denen einen vielleicht absolut nichts verbindet, wenn man sie sonst wo trifft, die einem womöglich sogar höchst sonderbar vorkommen würden, direkt unsympathisch vielleicht.
Oder andere, an die man sonst gar nicht herankommen würde, selbst wenn man wollte oder Leute, mit denen man schon zigmal was vereinbart hatte, aber immer ist etwas dazwischen gekommen und so fort.
De einfachsten, geraden und die komplexesten, interessanten, Idioten, Ignoranten und die nettesten Menschen et cetera et cetera - aber beim Kicken sind erst einmal alle gleich.
Es offenbart sich ohnehin in kürzester Zeit ihr wahrer Charakter: Da vollziehen sich zum Teil die erstaunlichsten Wandlungen, plötzlich entpuppt sich ein sonst zarter Mensch als zäher Kämpfer, den zurückhaltenden Beobachter packt plötzlich der Ehrgeiz, die grobschlächtigsten Typen überraschen als feinsinnige Techniker und umgekehrt.
Und natürlich: So groß und fremd und unbekannt kann eine Stadt gar nicht sein, wenn du dort erst einmal irgendwo mitgekickt hast, dann gehört sie dir. So, wie mir jetzt New York. Seit Jahren fliege ich jetzt regelmäßig dorthin, ein-, zweimal im Jahr, und trotzdem, erst seit dem letzten Besuch habe ich das Gefühl, jetzt hast du sie geknackt, jetzt gehört sie endlich auch dir, jetzt ist auch sie fixer Bestandteil deines Lebens; - seit meinem ersten Kick dort im vergangenem Herbst.
So eine Partie muss man natürlich am Kochen halten, nur ein halbes Jahr - nichtein- mal -, zwei, drei Monate nicht gespielt und schon zerstreut sich ein Team in alle Himmelsrichtungen, und es kann Jahre dauern, bis sich wieder was Neues zusammenfindet.
Das ist alles schon passiert, Ernst Caramelle zum Beispiel könnte ein Lied davon singen oder der Kargl Georg oder der Ritschka Wolfgang, alle haben sie schon einmal zusammen im Central Park gespielt, vor vielen Jahren, aber darüber später.
Ich will ja gar nicht behaupten, daß es mich nötig hätte, damit in New York eine Partie zusammengeht, das wäre ein Blödsinn, das macht schon der Werner, ein ausgewanderter Wiener, etwa mein Alter, hat eine Amerikanerin geheiratet und lebt mit ihr und zwei Kindern in New York, macht Transporte, jobbt in Galerien, verpacken und so, und verkauft Christbäume.
Und Clive aus Australien, ein Computerspezialist und Einzelgänger, der lebt auf einem Hausboot am Hudson River, direkt am Riverside Park, etwa Höhe 79te Straße und hat dort ein Baseballfeld entdeckt, auf dem sie jetzt spielen, das ist mit der Subway leichter zu erreichen.
Die beiden sind also der treibende Motor, aber ohne Leute, die mitspielen, können sie treiben so viel sie wollen und ohne meine Rolle dabei jetzt zu überschätzen, möchte ich doch anmerken, man weiß ja wie das ist, oft genügt nur ein kleiner Funke, alle wollen, aber irgendwie geht doch nichts zusammen und gerade wenn dann jemand von außen dazukommt, einen kleinen Funken mitbringt, plötzlich springt der Funke über und es brennt; so klein dieser Funke auch gewesen sein mag - und dieser Funke bin vielleicht ich: darum musste ich wieder hin!
Zum harten Kern dort zählt noch Tim, einer der wenigen gebürtigen New Yorker, die ich kennengelernt habe, chinesischer Abstammung, er spricht aber kein Wort chinesisch, versteht es auch gar nicht; er arbeitet beim New Yorker Fernsehen, kein besonderer Techniker, aber ein ausgesprochen harter Knochen.
Tim begegnet mir ständig, meistens ist er auf dem Weg ins Centre Street 202, ein Restaurant in China Town, wo sich um ihn und Alberto regelmäßig riesige Runden scharen, lauter Bekannte und solche, die man dabei später noch kennen lernt, da wird dann ordentlich aufgetragen, was Küche und Keller zu bieten haben.
Alberto, ein Spanier, hat einige Zeit in Wien gearbeitet, als Architekt bei Roland Rainer, glaub' ich, jetzt arbeitet er in New York bei Raimund Abraham und hat wahrscheinlich auch mitgearbeitet am preisgekrönten Entwurf für das neue Österreichische Kulturinstitut auf der 52sten.
My project “in touch” led me to N.Y.C., actually it was not really a project, but rather a funny little game of soccer in East River Park. A mixed group, no professionals, no exaggerated ambition, one takes pleasure in the ball running across a few stations, enjoys one or the other successful combination, a nice goal - we got a kick out of it and let off a bit of steam.
And one gets to know people, in the shortest time and better than through hardly anything else. And -most important at all- what kind of people one gets to know: people with whom one probably has nothing in common, if one meets them elsewhere, whom one might find most strange, maybe even unpleasant.
Or others one could otherwise not approach, even if one wanted to, or people one had often made an appointment with, but something had always come in between and so on.
The simplest and the most straightforward people and the most complex, interesting types, idiots, ignoramuses and the nicest people and so on, - but initially at the game they are all equal.
Their true character appears anyhow within shortest time, some go through the most amazing transformations, a gentle person turns out to be a tough fighter, the discreet observer is suddenly driven by ambition, the uncouthest types surprise to be the most subtle technicians and vice versa.
And of course: that large and foreign and unknown a city cannot be - if you have once joined a game, the city is yours.
Just as N.Y. is now mine. For years I've been flying there regularly, one or two times a year and still, only since my last visit do I have the feeling: now you have cracked it open, now at least it also belongs to you, now it is also a fixed component of your live - since my first game of soccer there last fall.
Such a team has to of course be kept on the boil, out of touch for just a half year, not even, just two or three months and a team scatters into all directions, and it can take years until something new comes together.
That has already happened before, Ernst Caramelle could tell you a thing or two about that, or Georg Kargl or Wolfgang Ritschka, they all once played together in Central Park, many years ago, - but more about that later.
I do not want to imply that it needed me to bring about a soccer game in New York. That is nonsense. Werner has already done that, a Viennese immigrant of my age, married to an American, lives with her and two kids in N.Y., does transports, takes on gallery jobs, packaging and so on and sells Christmas trees.
And Clive, an Australian, a computer specialist and lone wolf who lives in a house boat on Hudson River, right beside the Riverside Park, on the height of 790th Street. He has discovered a baseball field there that can be easily reached by subway and which they play on now.
The both of them are the driving motor, but without people who join the game, all their efforts are in vain. Without wanting to overestimate my role, you see it's often only a small spark that is needed, everyone wants to, but somehow no one gets it together, and suddenly just the moment when someone joins in from the outside, brings a small spark, than things catch fire. No matter how small this spark might have been - and this spark is maybe myself - and that's why I had to return!
Part of the hard core is also Tim, one of the few natives of N.Y. who I got to know, of Chinese origin, though he speaks not a word of Chinese, does not even understand it. He works for N.Y. television, no particular technician, but an extremely tough guy.
I met Tim all the time, most often on his way to Centre Street 202, a restaurant in China Town where around him and Alberto regularly large crowds gather, a lot of acquaintances and people one later gets to know, then all that kitchen and cellar have to offer is spread before you.
Alberto, a Spaniard, has worked in Vienna for some time, as architect for Roland Rainer, I believe, now he is in N.Y. with Raimund Abraham and probably also collaborating in the award-winning design of the new Austrian Cultural Institute on 52nd Street.
© Uwe Bressnik
letzte Aktualisierung: 16.07.2018