Gitterstores, Details
Das Grundmaterial aller meiner Raster-Arbeiten sind ganz einfache, nur aus horizontalen und vertikalen Webfäden bestehende Stores, - Gardinenstoffe. Diese Stores haben im Unterschied zu ähnlichen Geweben (etwa Fliegengittern) die für meine Arbeit wesentliche Eigenschaft, dehnbar zu sein.
Die Grundstruktur eines bei der Überlagerung von 2 Rastern entstehenden, sogenannten Moiré-Effekts ist nämlich von der Art der Raster, und deren Verhältnis zueinander abhängig. Dieses wäre bei einem präzisen, starren Raster immer gleich, das Moiré daher erfahrungsgemäß eine Art vervielfachtes Karo mit strengem, fortlaufendem Rapport.
Durch Verziehen und Dehnen des Gaze-Gewebes kann ich aber den Raster verändern, das Ergebnis sind organisch wirkende Moirés, die etwa an Wasser-Linien oder Holzmaserungen erinnern.
Die Kühle und Strenge des Netzrasters wird dadurch zu dessen Gegenteil, einem Lebendigkeit evozierenden Organischen. Bei näherer Betrachtung zerfällt dieses Organische jedoch sofort wieder in das ihm zugrundeliegende starre Raster-Skelett. - Diese Ambivalenz fasziniert mich.
Im Folgenden lässt sich diese Lebendigkeit noch steigern: Da sich das Verhältnis der Netzraster zueinander auch durch die Perspektive des Betrachters verändert, ändert sich damit auch das Moiré; durch einen räumlichen Abstand der Netz-Schichten voneinander (Z.B. 1 cm bei den „Anagrammen“ 1989-91) bewegt sich das Moiré Bewegung des Betrachters, polemisch gesagt, das Bild des Moirés „dquo;malt sich ständig selbst“.
So habe ich die Möglichkeit zur Gestaltung von Bildern, die einer permanenten Veränderung unterworfen sind, als physisches Abbild gar nicht existieren, also gewissermaßen immateriell sind. Das erscheint mir als ein brauchbarer Weg, mich der Malerei, deren konventionelle Ausrichtung mich stets mit einem gewissen Unbehagen erfüllte, im Laufe der Zeit kritisch zu nähern.
Gleichzeitig weist diese Struktur aber mit Nachdruck in eine andere, meine Gegenwart visuell ungleich stärker prägende und reflektierende Richtung, -die der elektronischen Medien.
Ich bin so nämlich in der Lage, die ästhetischen Qualitäten der elektronischen Medien durch eine Anzahl von Analogien zu simulieren:
Die Struktur des Gaze-Gewebes zerlegt jede darauf abgebildete Linie oder Form in strikte horizontale und vertikale Komponenten, das Image darauf wird sozusagen „digitalisiert“.
Wichtig ist mir dabei, dass im Gegensatz zu anderen Rastertechniken z.B. eines Lichtenstein oder Polke (oder meiner vorher praktizierten „simulierten Computergrafik“) das Image nicht mehr aus Punkten besteht, sondern der einzelne Punkt eines Images durch den Netzraster lediglich umschrieben wird, also physisch tatsächlich nicht existiert, und erst durch eine Überlagerung mehrerer Netz-Schichten im Auge entsteht.
Trotzdem ist dieser immaterielle Punkt durch seine Ordnung im Netz der horizontalen und vertikalen Linien eindeutig festgelegt, eine Bezeichnung dieses Zustandes als „Digitalisierung“ so gesehen durchaus legitim.
Auch die Farben entstehen analog zum Bildaufbau des Fernseh- oder Videobildes: Trotz ausschließlicher Verwendung von drei Grundfarben (rot, blau, gelb) ergeben sich die anderen Farben durch Mischung im Auge.
Das Image selbst ist immateriell und erscheint nur dann in seiner subjektiven Farbe, wenn mehrere „Farb-Strahlen“ aufeinander treffen.
Und: das Image ist ein instabiles, es „malt sich selbst“ immer wieder neu, jeweils verschieden von jedem Blickpunkt und jedem Betrachtungswinkel aus, und je nachdem ob man es von vorne oder von der Seite her betrachtet, oder daran vorübergeht.
The material of all my gauze-works are very simple stores, curtains, merely woven of vertical and horizontal threads. These stores, unlike similar materials (e.g. silk-screens) have the quality of being extensible, which is essential for my work:
The basic structure of a moiré-effect resulting from the superimposition of two screens depends on the characteristics of the screens and their relation to each other. This relation would always be the same in the case of a precise, rigid screen-raster; the moiré therefore empirically a kind of multiplied check, with a rigid continuous pattern.
By pulling and stretching the gauze-fabric, however, I am able to vary the raster; this gives the moirés an organic quality that reminds one of water-lines or the grain of wood.
The coolness and stringency of the screens is reversed to an organic-evocating vitality. Upon closer inspection, however, this organic whole immediately falls apart into its underlying, rigid screen-skeleton. This ambivalence fascinates me.
This vitality can be enhanced even further: Since the relation between the screens changes depending on the perspective of the viewer, the moiré thereby changes as well. A spatial distance between the screens (e.g. 1 cm in the case or the “anagrams”) produces a moiré that moves in conjunction with the viewer's movement, to be polemical: the image of the moiré “is continuously painting itself”.
This offers me the possibility to create images that are in a continuous flux, do not exist as physical effigies at all and are thus immaterial. This seems a possible escape from the numerous dilemmas of conventional painting which always filled me with a certain unease and which l still face skeptically.
Simultaneously this structure points emphatically into another direction that visually forms and reflects our present day a great deal stronger: the electronic medias.
For this way l am able to simulate the esthetic qualities of the electronic medias through a number of analogies:
The unique structure of the gauze-fabric dissolves any line or shape into strictly vertical and horizontal components the image is “digitalized”.
lt is important to me that unlike other raster-techniques (e.g. Roy Lichtenstein's or Sigmar Polke's, or even my earlier practiced “simuIated computer-graphics”) the image does not exist of dots anymore, but the single dot is merely conveyed by the network, therefore in fact it does not exist at all, and only comes about by the superimposition of several (different) networks in the eye.
Nevertheless this immaterial dot is unequivocally fixed through its order within the horizontal and vertical lines, a naming of this process as “digitalisation” therefore is thoroughly legitimate.
Also the colors develop by analogy to T.V.- or video-images: despite the use of only three ground colors, other colors result from mixing within the eye.
The image itself is an immaterial one and appears only in its subjective color; if several “color-beams” meet.
And: the image is unstable, it is continuously “painting itself” anew, specifically different from each viewpoint and angle of perception, and according to whether you look at it from the front, the side, or pass by the artwork.
© Uwe Bressnik
letzte Aktualisierung: 16.07.2018